Hat man sich in den 1930er Jahren vom Fräulein vom Amt mit der Nummer 149 in Tirschenreuth verbinden lassen, hat es mitten im Egerer Wald geklingelt. Es war nicht, wie man evtl. meinen könnte, am Waldhäusl. Das hatte unter dem Pächter Josef Götz damals schon die Telefonummer Neualbenreuth 14 bekommen. Es klingelte stattdessen in einer Holzhütte am Birkenberg. Diese Unterkunftshütte war zur Unterstützung des Beobachtungspersonals am Bürgermeister-Hierl-Turm errichtet worden.
Bürgermeister-Hierl-Turm? Auf dem Birkenberg stand einmal ein Aussichtsturm, der den Namen des seinerzeit in Waldsassen amtierenden Bürgermeisters Josef Hierl (1919-1940) trug. Wann genau dieser Turm errichtet wurde und warum man ihn so benannte, bleibt wohl im Dunkel der noch gar nicht so alten Geschichte verborgen. Möglicherweise ging er aus einem Vermessungpunkt oder -turm hervor, der auch im Urkataster der Bayerischen Vermessungsverwaltung an dieser Stelle ersichtlich ist. Der zwar nicht hohe aber repräsentativ gelegen bewaldete Birkenberg hatte wohl bei der Landvermessung eine regional nicht unwichtige Rolle gespielt. Dass die Waldsassener Bürger zu dieser Zeit die Gegend „unsicher“ gemacht hatten zeigt auch das Ringelfelsenfest, das 1930 vom Turnverein Waldsassen aus der Taufe gehoben worden war. Später war am Birkenberg auch ein Skihang geplant, der dann letztendlich in Schloppach realisiert wurde. Nicht zuletzt haben auch die Waldsassener Naturfreunde am Ringelfelsen und dann später am Naturfreundehaus Fuß gefasst. Alles liegt in unmittelbarer Nähe.
Warum hatte ein Aussichtsturm in dieser Zeit aber einen Telefonanschluss? Im Zuge der militärischen Befestigungen der Weimarer Republik aus Angst vor der Bedrohung aus Ost und West nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, hatte man bereits in den 1920er Jahren begonnen mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein Beobachtungs-, Melde- und Abwehrsystem zu entwickeln. Dieses wurde zu großen Teilen im Oberpfälzer Grenzland als Teil des „Ostwalls“ nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 auch in die Praxis umgesetzt. Der Aussichtsturm auf dem Birkenberg bekam eine zweite Verwendung als Beobachtungs- und Meldeturm und die nebenstehende Hütte ein Telefon zur schnellen Meldung zur Abschnittsführung nach Mitterteich. Zur Ausstattung in der Hütte gehörten unter anderem ein Fernglas, zwei Kilometermesser sowie Meldeblöcke und Blei- und Buntstifte. Ansonsten standen der drei Mann starken Besatzung noch zwei Orientierungsskizzen im Maßstab 1 : 100.000 zur Verfügung.
Nach dem Münchner Abkommen 1938 und dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich waren diese Maßnahmen überflüssig geworden, errichtete Bauwerke wurden zweckentfremdet. Sowohl vom hölzernen Turm als auch von der Hütte sind keine erkennbaren Überreste mehr erhalten, sie sind verfallen oder wurden vielleicht zerstört. Vieles ist in Vergessenheit geraten, die Erinnerungen in der Bevölkerung sind verblasst. Trotzdem finden sich auch heute noch verschiedene unscheinbare bauliche Relikte aus dieser Zeit rund um Bad Neualbenreuth.
Als Beleg und Beweis bleiben die Unterlagen in den Militärarchiven, wie die beiden Aufnahmen nach Nordosten von der Beobachtungswarte, dem Bürgermeister-Hierl-Turm, die die wunderbare Aussicht vom Birkenberg auf das damalige Landschaftsbild bis weit ins Egerland zeigen. Aber auch der verantwortliche Offizier für diese Stellung wird dort genannt: Johann Friedrich Wilhelm von Günther, Hauptmann der Reserve, Gutsbesitzer auf Ottengrün und Ernestgrün. Ebenso finden sich dort die Namen der Beobachter und Helfer. Auch das Naturfreundehaus diente damals noch in seiner Verwendung als Forsthaus als Nachschublager.
(Ein großer Dank geht an Christian Meißl für die Hilfe bei den umfangreichen Recherchen.)