„Gestumbelter Herget“

Gestumbelter Herget


Der „Alte Herrgott“, gelegen im früheren Stiftswald des Waldsassener Klosters, ist eine vermutlich 1694 erbaute gemauerte Kapelle, die von einigen Geheimnisse umgeben ist. Viele Legenden und Geschichten ranken sich um die Hintergründe ihrer Entstehung und den Erbauer, sowie dem hölzernen Vorgängerbau.

Sicher ist, dass es schon vor dieser Zeit Siedlungen in der Nähe gab, deren Existenz sich von Waldwirtschaft und Bergbau ableiten lassen und dass die Kapelle an einer bedeutenden Schnittstelle von mehreren Altstraßen an einer Art Pass errichtete wurde.

Kapitänleutnant Magnus Bartels stiftete die ursprünglich hölzerne Kapelle 1676 an einer Stelle, an der zuvor bereits ein „gestumbelte(r) Herget angehangen“ (verstümmelter Herrgott gehangen) war. Er wohnte in dieser Zeit mit seiner Familie in Neualbenreuth und war in Waldsassen stationiert.

Als der gemauerte Nachfolgerbau errichtet wurde, war der Stifter bereits verstorben. Wer ihn in Auftrag gegeben hat, ist nicht belegt. Allerdings gibt es historische Zusammenhänge, die Hinwiese in eine bestimmte Richtung nahelegen.

Der sowohl schlichte Bau mit klarer Linienführung und Deckengewölbe wird einem Baumeister und keinem regionalen Handwerksmeister zugeschrieben. Die Kapelle ist exakt in Ost-West-Richtung gebaut, der Eingang nach Osten ausgerichtet. Die aufgehende Sonne sollte den Innenraum erhellen. Das Fenster wurde erst 1938 herausgebrochen. Die Dachlinie hat einen eleganten leichten Knick. Der Grundriss ist vollkommen quadratisch, der Eingang bewusst niedrig gehalten, so dass man nur leicht gebückt und damit sich verneigend den Innenraum betreten kann. Diese Perfektion setzte in der damaligen Zeit eine durchdachte Planung eines Spezialisten voraus.

Das auf das Jahr 1694 datierte Bildnis „Maria mit dem Kinde“ in einer erstaunlich passenden Nische am Giebel über den türlosen Eingang weist verblüffende Ähnlichkeiten zum Gnadenbild in der Wallfahrtskirche von Fuchsmühl auf, die ein Jahr vor dem „Alten Herrgott“ in ihrer jetzigen Form fertiggestellt worden war. Hinzu kommt, dass der Stifter der Wallfahrt von Fuchsmühl Franz Heinrich von Froschhammer und sein Geschlecht auf mehrfache Weise mit der Familie derer von Bartels verbunden war. Auch hatten die v. Froschhammer zu dieser Zeit das Gut „Ottengrün“ zum Lehen. Unweit der Kapelle befand sich damals die Grenze zum Ottengrüner Besitz, nur ca. 800m in Richtung Breitenbrunn, jetzt Egerer Wald.

Eine ehrenwerte Person aus dem Umfeld von von Magnus Bartels wollte wohl mit der Errichtung des steinernen „Alten Herrgotts“ mit Hilfe des Baumeisters des Fuchsmühler Gotteshauses und dem vermutlich etwas später ergänztem Stiftungsbild das Andenken an den Stifter und die Geschehnisse bewahren.
Und das ist gelungen – bis heute!

Quelle: nach Harald Fähnrich, „Alter Herrgott“, 1996

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